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27.09.2013 - Buchpräsentation "Der Pinzgau unterm Hakenkreuz"

Rudolf Leo "Der Pingzau unterm Hakenkreuz" Otto Müller Verlag 2013

Rudolf Leos Buch "Der Pinzgau unterm Hakenkreuz" widmet sich den Opfern und Widerstandskämpfern während der NS-Zeit. Erschienen im Otto Müller Verlag Salzburg


Zur Buchpräsentation am Freitag, 27. September 2013 laden Otto Müller Verlag und Steinerwirt herzlich ein. Es moderiert der bekannte Ö1 Redakteur Michael Kerbler. Beginn: 19.30 Uhr. Eintritt: frei


Der Bramberger Historiker Rudolf Leo hat mit seinem Buch über den Pinzgau während der NS-Zeit grosses Aufsehen erregt. Im Vorfeld zur Buchpräsentation von "Der Pinzgau unterm Hakenkreuz" im Steinerwirt konnte ich dem Autor einige Fragen zum Buch stellen. Hier das gesamte Interview im exklusiven Vorabdruck:

Wie kam die Idee zu diesem Buch?

Ausgangspunkt war ein Gerücht, das im Oberpinzgau nach wie vor kursiert. Hermann Göring, so das Gerücht, hatte Pläne den gesamten Oberpinzgau abzusiedeln, die Menschen in die Ukraine – die „Kornkammer“ der „Reichs“ zu verbringen und aus dem Pinzgau ein persönliches Jagdgebiet für Göring zu errichten. Die Geschichte hat mich interessiert und darüber wollte ich eine Geschichte schreiben. Habe dafür in allen möglichen Archiven gesucht. Das Gerücht konnte ich nicht bestätigen (ist auch wissenschaftlich nicht haltbar), aber dafür habe ich unzählige andere Materialien gefunden. Das Ergebnis war eine Doktorarbeit und das vorliegende Buch.

Wie lange hast Du daran gearbeitet?

Insgesamt hab ich daran sechs Jahre gearbeitet?

War es schwierig, einen Verlag zu finden?

Eigentlich sehr einfach. Sozusagen Tottozwölfer, weil Verlag für ein derartiges Projekt zu finden ist sehr sehr schwierig. Gute Verlage (noch dazu aus der Region) sind seit Internet und co leider sehr rar geworden. Aber Otto Müller Verlag hat sofort zugesagt. Dazu eine der besten Lektorinnen, Christine Niedermaier, zur Verfügung gestellt. Sie hat mitgeholfen, aus dem wissenschaftlichen Text eine, wie ich meine, für alle Leser gute Geschichte zusammenzukürzen.

Wenn Du im Pinzgau bist, reden Dich die Leute auf Dein Buch an?

Es ist unglaublich, ich werde in der Bahn, auf der Straße, im Wirtshaus oder Geschäft von wildfremden Menschen zum Buch angeredet. Die Reaktionen sind rundwegs positiv. Dank Medienberichten (Platzhirsch, PN, SN) in der Region ist offensichtlich auch mein Gesicht bekannt. Das schönste ist, dass mich auch junge Menschen direkt ansprechen, mir gratulieren und sich dafür bedanken, dass sie nun über ihre Großeltern näheres wissen. Das zeigt mir, dass die Vergangenheit noch nicht aufgearbeitet ist; im Gegenteil: die Aufarbeitung beginnt erst jetzt, mit der dritten Generation, die entspannt und unaufgeregt die richtigen Fragen stellt.

Gibt es auch Kritiker?

Nein Kritik hab ich noch nicht erfahren. Natürlich gibt es Menschen, die nach wie vor der Meinung sind, dass „die Geschichte eigentlich ruhen sollte“. Vor allem Familienmitglieder von Menschen, die im Nationalsozialismus ermordet wurden tun sich oft schwer, darüber zu reden. Das schmerzt, das tut weh. Das versteh ich. Aber allen sag ich das eine: Es hilft nicht zu verdrängen und zu traumatisieren, die folgende Generation hat ein Recht darauf zu wissen, woher sie kommen, was in ihrer Familie vorgefallen ist. Die Kinder der Kriegskinder haben ihren Rucksack zu tragen. Es liegt an ihnen ihn zu tragen oder aufzumachen und reinzuschaun.

Dein Buch vermittelt sehr gut, wie ausgeprägt die Bespitzelung in der NS-Zeit war. Stellt man sich da als Autor nicht auch die Frage "Wie hätte ich mich damals verhalten?"

Das ist die schwierigste aller Fragen. Ja, natürlich stellt man sich die Frage. Muss sie stellen. Aber darauf gibt es keine Antwort. Weil ich nicht weiss, was ich damals getan hätte. Ich und meine Generation können unendlich froh sein, dass wir nie vor dieser Frage gestanden sind. Weil ich weder für mich, noch für sonst jemand die Hand ins Feuer legen könnte. Ich kann nur sagen, dass ich sehr stolz und höchste Bewunderung habe für jeden Pfarrer, Sozialdemokraten, Christlich-Sozialen, Deserteur, Bauern etc. - kurz jeden Menschen, der damals dem NS-System widerstanden hat. Und Widerstand war schon, wenn man nur anständig bleiben wollte.

Inwiefern hat der Prozess des Schreibens Dein Denken über die NS-Zeit verändert?

Man kriegt schon ein ganz anderes Bild aus dieser Zeit. Ja, Täter und Opfer vermischen sich. Auch Täter waren oft Opfer und da wird man bei der Beurteilung schon sehr, sehr vorsichtig.

War es schwierig, an die Zeitzeugen, mit denen Du gesprochen hast, heranzukommen?

Wie haben sie reagiert, als Du sie kontaktiert hast?Grundsätzlich war es kein Problem. Die Zeitzeugen haben gerne und viel geredet. Es war für sie oft eine Art von „Therapie“. Wenn es allerdings um die Nennung der Namen ging, waren die Zeitzeugen etwas zurückhaltend. Das „aba mein Nam schreibst eh nit“, war oft zu hören. Vor allem im Bereich der Deserteur war noch immer eine Form der „Scham“ zu spüren. Sie werden – leider – oft noch immer als „Drückeberger“ und „Feiglinge“ gesehen. Und dabei wird vergessen, dass sie für ein freies und demokratisches Österreich eingestanden sind. Und Opfer der Nazijustiz und der Gestapo waren.

"Der Pinzgau unterm Hakenkreuz" stellt vor allem die Opfer des NS-Regimes in den Mittelpunkt. Folgt als nächstes ein Buch über die Täter?

Ja, einzelne Täter im Bereich des Pinzgaus schau ich mir gerade genauer an. Da gab es große Namen an der Spitze des NS-Systems. Die Figuren und deren Familien interessieren mich. Mal schaun, was aus dem Projekt wird.

Ich bedanke mich für die ausführlichen und informativen Antworten und freue mich auf eine spannende Buchpräsentation von "Der Pinzgau unterm Hakenkreuz" in Zell am See beim Steinerwirt am 27. September 2013.