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07.04.2015 - ZellerLesen "Im Gespräch: Rudolf Leo & Michael Kerbler"

Ein Blick in die Geschichte unserer Heimat.

Dienstag, 7. April 2015
Rudolf Leo & Michael Kerbler im Gespräch
"Bruck unterm Hakenkreuz"
Beginn: 19.30 Uhr, Eintritt: frei

Am 7. April spricht Rudolf Leo mit Michael Kerbler beim Steinerwirt über sein aktuelles Buch. Wir haben den Autor im Vorfeld interviewt:

2013 erschien mit “Der Pinzgau unterm Hakenkreuz” Dein wegweisendes Buch über den Nationalsozialismus in unserer Heimat. In “Bruck unterm Hakenkreuz” geht es um die Zeit von 1933 bis 1945 in Bruck. Wie ist die Idee zu dazu entstanden?
Karin Hochwimmer, die Vizebürgermeisterin von Bruck, ist bei einem Vortrag an mich herangetreten und hat mich gefragt, ob ich die Geschichte Brucks in diesem Zeitraum wissenschaftlich aufarbeiten würde. Ich habe sofort zugesagt, weil ich gesehen habe, dass der gesamte Gemeinderat – quer über alle Parteien – hinter diesem Projekt stand. Bruck zeigt als eine der ersten Gemeinden, dass es möglich und notwendig ist, die Lücken in den meisten Ortschroniken auszufüllen.

Sind bereits weitere Gemeinden im Pinzgau an Dich herangetreten?
Ja es gibt Gespräche mit anderen Gemeinden. Eine saubere wissenschaftliche Aufarbeitung der NS-Ära funktioniert aber nur, wenn alle handelnden politischen Parteien hinter so einem Projekt stehen und mitmachen. Bruck hat gezeigt, wie es funktionieren kann.

Besonders tragisch sind die Vorfälle im Kinderdorf St. Anton: zahlreiche Kinder wurden von hier aus deportiert und oft ermordet. War das in der Brucker Bevölkerung bekannt?
Gute Frage: ich weiß nicht, wie viel die Bevölkerung tatsächlich über die Vorfälle hinter den Mauern der Caritas-Anstalt mitbekommen hat. Für mich als Wissenschaftler war es doch überraschend, welch hohe Opferzahl letztlich ans Tageslicht gekommen ist. Mindestens 45 (!) ehemalige behinderte Bewohner – die meisten von ihnen Kinder und Jugendliche – wurden von den NS-Ärzten in Hartheim oder am Wiener Spiegelgrund ermordet. Ein sehr, sehr dunkles Kapitel unserer Geschichte. Dem Engagement der Sozialarbeiterin Christina Nöbauer ist es zu verdanken, dass alle Opfer wenigstens einen Namen und ein Gesicht haben.

Während des Krieges waren – wie im gesamten Pinzgau – auch in Bruck zahlreiche Kriegsgefangene als Zwangsarbeiter. Wie war ihr Verhältnis zu den Einheimischen?
Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge prägen das Bild der Kriegsjahre in Bruck: polnische Kriegsgefangene sind in der Landwirtschaft eingesetzt; französische Zwangsarbeiter werden zum Bau der Schleppbahn zwischen Bruck und Kaprun sowie zum Bau des Güterweges in St. Georgen herangezogen; russische Gefangene arbeiten im Magnesitwerk bei Judendorf; KZ-Häftlinge müssen Renovierungsarbeiten im Schloss Fischhorn durchführen. Nicht alle Brucker haben weggeschaut. Das Beispiel von Maria Eder, einer einfachen Bergbäuerin, zeigt, dass es auch Zivilcourage gegeben hat. Sie schreibt nach Salzburg und beschwert sich über die schlechte Behandlung der Zwangsarbeiter. Tage später wird sie von der Geheimen Staatspolizei abgeholt. Sie hat Glück, in Zell am See hat ein Gendarm Mitleid und schickt sie wieder nach Hause.

Immer wieder wurden Menschen nach dem “Heimtückegesetz” vor Gericht gestellt und zu Haftstrafen verurteilt. Was war dieses Heimtückegesetz?
Das Gesetz gegen heimtückische Angriffe auf Staat und Partei und zum Schutz der Parteiuniformen“ war ein Instrument, um die Meinungsfreiheit einzuschränken und Kritik am Krieg zu verhindern. Ein Witz am Wirtshaustisch über den „Führer“ oder ein falsches Wort über den Kriegsverlauf hat gereicht, um angeklagt zu werden. Die Konsequenzen waren verheerend: Gestapohaft oder die Einlieferung in ein Konzentrationslager waren die Folge.

Ein zentraler Punkt der Nationalsozialisten in Bruck war Schloss Fischhorn: Es war nicht nur eine Aussenstelle des KZ Dachau, auch hochrangige Nazifunktionäre wie Göring, Himmler und Fegelein gingen hier aus und ein. Wie stehen die Eigentümer von Fischhorn heute zu ihrer Geschichte?
Ich habe das Gefühl, dass die jetzigen Eigentümer sehr an der Aufarbeitung der Geschichte des Schlosses interessiert sind. Letztlich ist es auch ihre Geschichte.

Bei Kriegsende wurde Fischhorn geplündert. Zahlreiche Kunstgegenstände gingen dabei verloren, unter anderem das Meisterwerk “Kampf der Kentauren” von Arnold Böcklin. Ist das Bild jemals wieder aufgetaucht?
Nein, diese Version von Arnold Böcklin ist bisher noch nicht aufgetaucht. Aber das Kapitel ist noch nicht abgeschlossen. Ein Kollege aus Wien, der sich primär mit Fragen der Restitution befasst, ist nach wie vor mit mir auf der Suche nach dem Werk. Das Originalbild würde mich schon sehr interessieren.

Danke für das Gespräch!

Zeller Literaturfrühling 2015

ZellerLesen startet in den Kulturfrühling - 3 spannende Abende mit Michael Kerbler, Rudolf Leo, Robert Menasse und O. P. Zier stehen beim Steinerwirt auf dem Programm

In wenigen Wochen starten wir in den Frühling - auch oder insbesondere kulturell. Mit der Unterstützung von Bankhaus Spängler, Stadtgemeinde Zell am See und Zell am See-Kaprun Tourismus ist es wieder gelungen, sehr namhafte Autoren nach Zell am See zu holen. Im weitesten Sinne steht der diesjährige Kulturfrühling unter dem Thema Heimat, das aus unterschiedlichsten Perspektiven beleuchtet wird. Rudolf Leo hat auf Initiative der Gemeinde Bruck die Jahre 1933 bis 1945 in unserem Nachbarort aufgearbeitet. O. P. Ziers "Komplizen des Glücks" ist ein klassischer Milieuroman über das Innergebirg. In "Heimat ist die schönste Utopie" untersucht Robert Menasse das Ende einer Epoche: Wo die Nationen der Globalisierung zum Opfer fallen, wird die regionale Umgebung verstärkt zum Bezugspunkt. Wir freuen uns auf zahlreiche Besucher zu diesen spannenden Veranstaltungen und bitten um Reservierung per Telefon unter 06542-72502 oder per Email an office@steinerwirt.com.

Herzliche Grüsse, Gunda und Johannes Schwaninger

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Dienstag, 7. April 2015
Rudolf Leo & Michael Kerbler im Gespräch
Lesung: "Bruck unterm Hakenkreuz"
Beginn: 19.30 Uhr, Eintritt: frei

Deportierte Kinder, Raubkunst, Zwangsarbeit, aber auch Zivilcourage und offener Widerstand. Bei seinen Recherchen zu “Bruck unterm Hakenkreuz” hat Rudolf Leo einige brisante Entdeckungen gemacht. Beim Steinerwirt spricht er mit Michael Kerbler über sein aktuelles Buch. Erschienen bei Otto Müller Verlag Salzburg. In Kooperation mit Kultur Raum Zell

Mittwoch, 22. April 2015
O. P. Zier
Lesung: "Komplizen des Glücks"
Beginn: 19.30 Uhr, Eintritt: frei

Wie das berühmte gallische Dorf trotzt das alte Bauernhaus der Wirrings den umgebenden Beton-Wohnblöcken im Salzburger Land. Der bornierten Nachbarschaft ist es ein Dorn im Auge, der lustvollen Alltagsanarchie der vier Familienmitglieder bietet es jedoch ein verlässliches Zuhause. Bis eines Tages ein Unbekannter vor der Türe steht. Eine Hymne auf Freiheit, Aufbegehren und Anarchie. Erschienen im Residenz Verlag. Beginn: 19.30 Uhr. Eintritt: frei. In Kooperation mit Kultur Raum Zell

Dienstag, 05. Mai 2015
Robert Menasse
Lesung: "Heimat ist die schönste Utopie"
Beginn: 19.30 Uhr, Eintritt: frei

Die Welt ist längst ein transnationales Gebilde geworden, es gibt nichts mehr von Belang, das innerhalb nationaler Grenzen geregelt oder an nationalen Grenzen gestoppt werden kann. Das bedeutet: Die Nationen werden sterben. Das Testament der sterbenden Epoche lautet: Nationen sind Betrug, Regionen sind Heimat. Robert Menasse zählt zu den wichtigsten kritischen Stimmen der heimischen Gegenwartsliteratur. Wir freuen uns sehr, ihn mit seinem aktuellen Werk bei uns begrüssen zu dürfen. Erschienen bei Suhrkamp. In Kooperation mit Kultur Raum Zell